Unsere Zeit in Mexiko neigt sich dem Ende, entgegen. Wir sind bereits auf dem Weg nach Süden. In das Herz Mittelamerikas. Es ist also an der Zeit ein erstes Fazit zu ziehen über das was wir erlebt haben. Viel Spaß damit. Marleen, Lisa und Chris.
Schon einen Tag später durften wir ein weiteres Projekt kennenlernen, das sich in dem Irrgarten um die Hauptstraßen des nördlichen Mexico Citys versteckt: In mehreren Häusern nebeneinander sind Waisenkinder verschiedenen Alters untergebracht, die dort zusammen wohnen, essen, zur Schule geschickt werden und einen gemeinsamen Alltag leben.
Wir besuchten sie an einem Sonntag und hatten so die Chance, viel Zeit mit ihnen zu verbringen. Diejenigen, die alt genug waren, unser Spanisch zu verstehen, antworteten mit rührender Ehrlichkeit auf unsere Fragen. Die Kleineren über ein Fußballtraining mit Señor Chris. Darüber hinaus nahmen wir von diesen Kindern zahlreiche Bilder und gemalte Briefe mit, die für andere Kinder und Jugendliche in Deutschland und in Afrika bestimmt sind. Als sie hörten, das wir auch schon durch afrikanische Länder gereist sind und das eventuell irgendwann noch einmal tun, wollten sie uns unbedingt etwas für die Menschen dort mitgeben.
Aus unseren vielen Begegnungen mit Mexikanern und anderen Reisenden und natürlich aus den Erfahrungen in den Projekten, die wir für goals connect besuchten nahmen wir viel verschiedene Eindrücke mit. Besonders die Situation der Kinder aus dem Waisenhaus in Mexiko City hat uns besonders bewegt.
Einem Dreijährigen, der keinen braunen Stift finden kann und sein Pferdebild deshalb gelb ausmalt (nachdem er sich bei uns von der Existenz gelber Pferde vergewissert hat), kann man sicherlich auch in Europa finden. Die zwölfjährige Victoria, die uns unter strengster Geheimhaltung als ihr „Idol, das sie bewundert“ den Nachbarsjungen Manuel aufschreibt, könnte genauso gut ein amerikanischer Teenager sein. In anderen Aussagen findet sich eine Art von Selbstlosigkeit wieder, die wir an diesen Kindern, die ohne ihre Eltern aufwachsen und sich zu 4. oder 5. ein schlichtes Zimmer teilen, bewunderten: Mehrere antworteten uns, einen hohen Geldgewinn würden sie an „die Armen“ spenden oder „nach Afrika“; ein Mädchen schrieb, stolz sei sie vor allem auf ihre Mutter und ein anderes gab als ihren Lebenstraum an, das ihr Bruder Fußballstar werden kann, weil er das so gerne möchte.
Mittlerweile haben wir mehrere verschiedene Bundesstaaten durchquert, und auf unseren Fahrten haben wir auch die ein oder andere Kuriosität erlebt. So kamen wir nach einer abenteuerlichen Autofahrt (offroad durch die Berge) in ein winziges Dorf namens Emiliano Zapata, in dem man statt des Festnetztelefons lieber ein Mikrofonsystem benutzt, mit dem über Lautsprecher im ganzen Dorf ausgerufen wird, wenn es z.B. nach einer bestimmten Person verlangt. Dieselbe Dorfgemeinschaft hat an einem wunderschönen verlassenen See, zu dem wir einige Stunden durch den Dschungel wanderten und an dem keinerlei Zivilisation zu finden ist, eine einzelne, hochmoderne Solarzelle aufgestellt, um den wenigen Touristen im Jahr zumindest ein bisschen Licht zu bieten.
Wir sind durch viele Dörfer gefahren, von denen wir uns ziemlich sicher sind, dass sie nur von der Landwirtschaft leben. In unserer Reisenostalgie haben wir uns gefreut, dass es noch Orte gibt, an denen sich kleinere Dorfgemeinschaften unabhängig von Globalisierungsstrukturen mit dem, was sie um sich vorfinden, selbst versorgen können. Die Unberührtheit der unglaublichen Natur hier, wirkt ähnlich „beruhigend“.
Die Welt besteht wirklich noch nicht überall nur aus Plastikmüll, Smartphones und Profitdenken.
Das fällt uns gerade in den Städten auf: Trotz des definitiv hohen Plastikkonsums sind sie sauberer als in manch anderen Ländern, die wir schon kennengelernt haben. Im Augenblick sind wir in San Cristobal De Las Casas, einem schönen Ort im Bundesstaat Chiapas. Was hier dafür erschreckenderweise stark vermehrt vorkommt, ist Kinderarbeit auf der Straße: Noch bis nachts werden uns von Kindern und sogar Kleinkindern verschiedene Produkte zum Kauf angeboten oder sie bitten darum, unsere Schuhe putzen zu dürfen. Das ist befremdlich, und es ist schwierig, damit umzugehen. Es fällt uns leichter, Bettler und Obdachlose (an der Zahl übrigens insgesamt erstaunlich wenige) zu unterstützen. Zu der Erfahrung, dass „niedliche arme Kinder“ im Straßenverkauf grundsätzlich mehr Umsatz machen als ihre Eltern, wollen wir definitiv keinen Beitrag leisten.
Über das politische Mexiko lernen wir täglich dazu. Die Demonstrations- und Protestkultur scheint hier sehr ausgeprägt zu sein. Wenn Menschen verschwinden, worüber aktuell auch in deutschen Medien berichtet wird, gehen viele gegen die Unsicherheit im Land und die Tatenlosigkeit von Polizei und Regierung auf die Straße. Dieser politische Aktivismus findet sich durchaus nicht nur in den großen Städten; auch in den ländlichen Gebieten entwickelten sich in der Vergangenheit wie heute vor allem linksorientierte Proteste.
Die Hintergründe der Vorkommnisse werden meistens sehr verschieden dargestellt. Das Einzige, was sich mit Sicherheit sagen lässt, ist, dass die mexikanische Gesellschaft keine Scheu hat, ihre Überzeugungen offen zu äußern, denn auch diese Menschen haben Ziele in ihrem Leben.