Wie unser Team nach dem abenteurlichen Ritt zum Durchatmen kam, einen aktuellen Krankheitsbericht von Yoshi und wie der Besuch bei einem weiteren Kinderhilfsprojekt lief, lest ihr im Tourblog #9
„Friday 11 o’clock you have to be here in the Immigration Office or we call the police!“
So oder so ähnlich waren die Worte des Chefs der Meldebehörde in Kisumu am Victoriasee auf unsere telefonische Nachfrage nach gültigen Visa.
Zwei Tage Höllenritt auf etwas, das den Namen Straße, Weg oder Piste nicht verdient hat, liegen hinter uns. 12h Fahrt für 250km erklären in etwa den Zustand des Minenfeldes auf dem wir unser Auto manövrieren mussten. Dank Lisa’s Sprachtalent und einer gesunden Portion Glück passieren wir drei Polizeikontrollen, ohne nach den ominösen Visastempeln gefragt zu werden. Zu allem Überfluss verbringen wir die Nacht, bevor wir nach Kisumu aufbrechen wollen, in einem Hotel mit integriertem Nachtclub. Die dünnen Holzwände bilden die direkte Barriere zu den Boxen. Wir sind so erschöpft, dass wir trotzdem sofort einschlafen. Pünktlich 5.25Uhr haben wir unsere Taschen gepackt und unser Vehikel startklar gemacht. Wieder fahren wir auf etwas, das die grünen Schilder als Highway ausweisen, das uns aber wie ein schlechtes Computerspiel vorkommt. – Rechts, Links…Schlagloch!- Der Unterschied ist nur, dass wir nicht wissen wieviel Leben unser Yoshi noch hat.
Die neongelben Zeiger von Bastis brauner Lederarmbanduhr leuchten grell im Licht der Mittagssonne. 10.30Uhr ist der Stellung zu entnehmen, als wir endlich das Verwaltungsgebäude betreten. Es ist der 04.12.2010, zwei Tage vor Nikolaus, und wir wünschen uns nichts mehr als ein kenianisches Visum in unseren Wüstenstiefeln. Zu unserer Überraschung werden wir überaus freundlich empfangen und bereits 45min später verlassen wir das Gebäude mit der ersehnten Aufenthaltserlaubnis.
Zur Feier des Tages wollen Flo und Lars, zwei Freunde und Vereinsmitglieder aus München, am Nachmittag zu uns stoßen, um uns für ein paar Wochen zu begleiten. Schnell finden wir ein Hostel und einen Supermarkt. Mit einem kalten Bier feiern wir das Ende unseres Trips und sind froh und dankbar über das Glück, das wir hatten und die Menschen, die uns geholfen haben. Bevor die Sektion München Kisumu erreicht, wollen wir noch kurz entspannen, als Lisa aufgelöst in unser Zimmer stürmt. „Schnell ihr müsst mitkommen, es ist etwas passiert!“ Als wir auf die Straße rennen, erkennen wir sofort die gesplitterte Heckscheibe unseres Autos. Wie der Zufall und unser Glück es wollen, befindet sich genau 20m von uns entfernt ein Carglashändler, der genau EINE Heckscheibe für unser Modell vorrätig hat. Was an ein Wunder grenzt, wird schnell Wirklichkeit. Während wir den Einbau beobachten, erreichen auch Flo und Lars die Straßenwerkstatt.
Zwei Tage verweilen wir in Kisumu, um nach der Hektik der letzten Woche etwas zu entspannen. Die kleine beschauliche Stadt, mit ihren eckigen Kolonialgebäuden am Ufer des Victoria Sees, erinnert mehr an Neuseeland als an Afrika. In unserem Hostel treffen wir ein paar Volontäre aus Deutschland, die uns ohne zu zögern ihr Haus in Nairobi anbieten, um dort kostenlos zu übernachten. Das ist ein Angebot, das wir nicht ablehnen können.
Nach dem kleinen Intermezzo machen wir uns auf den Weg zu unserem nächsten Projekt „Diguna“ nach Tinderet. Der Weg dahin ist nicht nur von geteerten Straßen gesegnet, sondern führt uns auch über den Äquator – eine Premiere für uns und unser japanisches Reitpferd.
Tinderet und das „Diguna“-Projekt liegen auf halber Strecke zwischen Kisumu und Nairobi in einem kleinen Gebirge. So fahren wir auf einer kleinen Seitenstraße einen steilen Anstieg nach oben, bis wir ein großes Metalltor erreichen. Ohne Problem lässt uns der Guard passieren. Das Gelände ist weiträumig und von Fahrzeugen, Kühen und allerlei Agrargeräten gesäumt. Yoshi röhrt laut auf, als wir den letzten Anstieg erklimmen. Christoph, der Leiter des Projekts, erwartet uns bereits. „Diguna“ bedeutet „Die gute Nachricht“. Eigentlich handelt es sich dabei um ein missionarisches Projekt, jedoch bildet dieses Projekt eine Ausnahme. Das hier ansässige Waisenhaus mit seinen 160 Kindern, einer integrierten Berufsschule, ermöglicht den Kindern nicht nur eine Schul- sondern eine weiterführende Berufsausbildung. Durch die Landwirtschaft kann sich die Einrichtung größtenteils selbst versorgen und einen Teil der Ernte in den umliegenden Dörfern verkaufen.
Wir werden sehr herzlich von Christoph und seiner Familie empfangen und im Gästehaus untergebracht.
Da Ferien sind, ist nur ein Teil der Kinder auf dem Gelände. Wie uns Christoph erklärt, erwartet uns diese kleine Schar mit riesiger Vorfreude. Wir verlieren daher keine Zeit und beginnen gleich mit einem kleinen Training. Voller Begeisterung spielen wir sowohl mit den Kleinen als auch den großen Kindern.
Am Ende der Einheit werden wir zum gemeinsamen Essen eingeladen. Uns erwarten viele neugierige Kinder und ein leckeres und ausgewogenes Essen.
Im Anschluss an das Essen besuchen wir getrennt die einzelnen Wohnhäuser. Jedes dieser Häuser beherbergt ca. 20 Kinder, um die sich eine Familie kümmert. Die Familien leben mit ihren eigenen und den Waisenkindern zusammen und sind für diese verantwortlich. Sie werden direkt von dem Projekt bezahlt und leben und wohnen hier das ganze Jahr. Wir spielen, singen und lesen Geschichten mit den Kleinen. Nebenbei erkundigen wir uns bei den Hausmüttern nach dem Alltag und den Problemen hier. Wir haben Respekt vor der Aufgabe 20 Kinder zu erziehen.
Erschöpft suchen wir unseren Weg zurück zu dem Gästehaus und fallen zufrieden in unsere Betten. Am nächsten Morgen werden wir von Christoph und seiner Frau zur Andacht und zu einem gemeinsamen Frühstück eingeladen. Dabei erzählt uns Christoph viel von dem Leben hier und von der Leitung des Projekts. Wir sind beeindruckt von der Professionalität und der Wirkung der Einrichtung. Bevor wir unseren Weg nach Nairobi fortsetzen, haben wir noch ein kleines Training mit den Kindern auf dem Programm. Die Rasselbande, um unseren Liebling Boozer, macht uns das Leben nicht leicht. Es fällt uns schwer ihnen zu erklären, was wir machen wollen, da sie viel lieber an unseren Armen hängen oder unsere blonden Haare anfassen wollen. Wir merken schnell, dass die Kinder unsere Nähe suchen und sich freuen, wenn wir sie hochheben, in den Arm nehmen oder mit ihnen Fangen spielen. Wie in andern Projekten auch wird uns hier wieder bewusst, wie wichtig es ist, diese Kinder nicht alleine zu lassen und wie gut es ist, das es solche Projekte gibt, die sich um sie kümmern.
Irgendwie schaffen wir es am Ende doch noch etwas Fußball mit ihnen zu spielen. Schweren Herzens verabschieden wir uns von den Kleinen, Christoph und seiner Familie bevor wir unseren Weg nach Nairobi fortsetzen. Wir danken für die herzliche Gastfreundschaft in diesem Projekt und hoffen, dass es auch in Zukunft vielen Waisenkindern hilft einen normalen Lebensweg einschlagen zu können.