„Der Sand der Zeit“ – Tourblog #5

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Im Tourblog #5 erfahrt ihr von der Reise durch den Sudan, von neuen Bekanntschaften, Hitze, Gastfreundlichkeit und dem etwas überraschenden Ende eines Fußballspiels….

WEITERE BILDER ZU DEM BERICHT HABEN WIR AM 3.1. ERGÄNZT!!!

Umgeben von Lehmhütten und eingehüllt in einer gelblich-bräunlichen Staubwolke rennen 25  Kids einem weiß-schwarzen Adidasball hinterher. Der Fußballplatz, auf dem wir uns befinden, liegt inmitten eines großen Slums von Karthoum, der Haupstadt des Sudans. Noch ahnen wir nicht, dass diese entspannte und fröhliche Situation kurz davor ist zu kippen.

Es sind zwei Tage vergangen, seit wir wieder in unserem Yoshi sitzen können.  Der für den Notfall geplante Autowechsel musste zu unserem Glück nicht vollzogen werden. Bereits am nächsten Morgen nach unserer Ankunft konnten wir im ersten Licht der Morgensonne unseren Kartoffeldampfer am Horizont erkennen, der an die eigentliche Autofähre angekoppelt war. Letztere war binnen kürzester Zeit entladen und viele unserer neuen Bekanntschaften konnten bereits die Weiterfahrt antreten. Wir nicht!

Bei der Beladung unseres Ozeanriesens hatte niemand bedacht, dass es nur eine Möglichkeit zum Entladen gibt, den Platz der Personenfähre, die zu unserer Freude erst um 18.00Uhr das Pier verlassen sollte. Die Konsequenz war eine Wartezeit von 8h.

Die Zeit vertreiben wir uns mit Warten, Essen, Warten, Trinken und eben…Warten. Nach diesem spannenden Tag und der Umsetzung der Fähre wartet noch etwas Arbeit auf uns. Ca. 100kg Zuckerrohrmelasse müssen noch umgeladen werden, um unseren Yoshi zu befreien.  Da die Sonne bereits tief rotglühend am Horizont versinkt, machen wir uns für eine weitere Nacht in Wadi Halfa bereit.

Mit dem ersten Muhezingeschrei des Tages packen wir unsere Sachen. Aufgeregt und neugierig fahren wir auf die Straße, die uns nach Karthoum führen soll. Nach all den Meldungen der letzten Jahre über den Bürgerkrieg und die Todesreiter von Darfur haben wir keine Idee von dem, was uns erwarten wird. Wir sind daher sehr froh, dass sich Vincent, Karin und Wilhelm uns anschließen.

Mit drei Autos und einer Portion Abenteuerlust brechen wir auf. 800km Wüste liegen zwischen hier und unserem ersten großen Ziel. Zu unserer Überraschung und Freude sind die Straßen wie Weihnachtskugeln auf Hochglanz poliert oder frischer als eine Brezel. Der Dank geht hierbei, wie auch auf anderen Straßen an die chinesische Entwicklungshilfe, die vorzügliche Arbeit geleistet hat und unserem Auto damit mehr Lebenszeit geschenkt hat.

Auf frischem Asphalt schlängelt sich unsere Straße entlang des Nils durch alle erdenklichen Wüstenformen, die durchschnitten von Bergen wenig Abwechslung bieten. Am Himmel sind keine Wolken zu sehen und die Sonne verwandelt unser Auto in eine fahrende Bratpfanne, in der wir wie Spiegeleier langsam garen. Die offenen Fenster bieten kaum Linderung, bringen uns dafür aber den rötlichen Staub der Wüste. Wie ein Camäleon passt sich unser Armaturenbrett den örtlichen Gegebenheiten an.

Wir löschen unseren Durst mit 5-6 Liter Wasser und 1-2 Liter Cola pro Tag und fragen uns, was man eigentlich im Sommer alles so machen kann, außer schwitzen, schlafen und trinken!?

Die Monotonie der Wüste und die Hitze des Tages erschöpfen uns und zehren an unseren Nerven. Abwechslung bringen uns ein paar alte Pyramidenruinen, die auf unserem Weg liegen und die wir besuchen wollen. Obwohl wir über 50°C in der Sonne haben, machen wir einen kleinen Ausflug zu diesen beeindruckenden Bauwerken, bevor wir unseren Weg fortsetzen.

Unser Nachtlager schlagen wir zusammen mit unseren holländischen Freunden in der Wüste auf. Die Ruhe, der atemberaubende Sternenhimmel und Handyempfang entschädigen für den anstrengenden Tag. Auch 5h nachdem die Sonne untergegangen ist, zeigt uns das Thermometer 30°C. Wir schnippeln Salat und Früchte während in den Töpfen über den Gaskochern die Nudeln und die selbsgemachte Pastasoße köcheln. Die Ruhe der Nacht wird nur vom Rauschen des Blutes in den Ohren übertönt und dem aufgeregten Schnüffeln eines Wildhundes, der unser Zelt neugierig umkreist.

Am nächsten Morgen beschließen wir etwas abseits der Strecke zu fahren und näher an den Dörfern des Nils entlang zu fahren. Auch auf sandigem Untergrund macht unser Yoshi eine gute Figur und sticht die holländischen Landcruiser gerade in tiefem Geläuf problemlos aus.

In einem kleinen Dorf beschließen wir einen kleinen Zwischenstopp für unser Video zu machen. Sofort werden wir von einer Horde Kinder umringt und von einer Frau zu selbstgemachter Limonade eingeladen. Stellvertretend für dieses Dorf sind wir nur in wenigen Ländern soviel Freundlichkeit und Hilfsbereitschaft begegnet, wie im Norden des Sudans.

Nach diesem kurzen Zwischenstop beenden wir unsere OffRoadTour und fahren auf die Straße zurück. Vorbei an den Pyramiden von Merowe, den südlichsten Pyramiden Afrikas und dem bekanntesten Wahrzeichen des Sudans. Wir sind beeindruckt von diesen tiefroten Monumenten der Geschichte, inmitten einer riesigen Sand- und Steinwüste, die frei ist von Touristen und Hustlern (Abzockern). Die Abgeschiedenheit und die Einsamkeit dieses Platzes sind trotz der Temperaturen eine Wohltat für uns.

Bei unserem Abstieg treffen wir eine Japanerin in unserem Alter, die diesen Trip alleine und nur mit Bus oder per Anhalter unternimmt. Wir beschließen sie bis nach Karthoum zu adoptieren, gerade weil sie und Yoshi Landsleute sind.

In den Abendstunden erreichen wir die ersten Vororte von Karthoum. Überall blinken Leuchtreklamen und die Straßen sind überfüllt mit tausenden von weiß-schwarzen oder weiß-braunen Ziegen.  Am Straßenrand werden frisch geschliffene und silbern glänzende Knochenbeile verkauft.  Die Hadsch, das größte muslimische Fest, ähnlich dem christlichen Weihnachten, steht vor der Tür. Überall herrscht daher geschäftiges Treiben. Die bärtigen Vierbeiner werden auf Ladeflächen gehieft oder auf Autodächern fixiert bevor sie zu ihrem letzten Zuhause gebracht werden.

Karthoum selbst ist staubig, stickig, jedoch sauber und im irrealen Kontrast zum Rest des Landes hoch entwickelt. Wir arbeiten uns durch den abendlichen Verkehr in Richtung Innenstadt zu unserem Campingplatz, dem sagenumwobenen Blue Nil Sailing Club am Ufer des Zusammenflusses aus Blauem und Weißem Nil. Gegen 20Uhr erreichen wir das, was von dem Club noch übrig geblieben ist. Verstaubt, dreckig und heruntergekommen beschreibt diesen Ort wohl am besten, der immer noch von der Segelelite Karthoums frequentiert wird. Auf einem kleinen Kinderspielplatz schlagen wir unser Zelt auf und freuen uns nach fünf Tagen endlich wieder ordentlich duschen zu können.

Nach einer ruhigen Nacht am Ufer des Nils zwischen Babyschaukeln, Rutschen und Klettergerüsten treffen wir uns am nächsten Morgen mit Monica und ihrer Freundin, die für ein staatliches Straßenkinder- Schulprojekt in einem der Slums verantwortlich sind. Dieses Projekt hat es sich zur Aufgabe gemacht, Kinder, die keine Möglichkeit haben in die Schule zu gehen, am späten Nachmittag zu unterrichten. Wir vereinbaren ein Fußballspiel und eine Besichtigung am nächsten Tag. Vincent und Karin entschließen sich, uns zu dem Projekt zu begleiten.

Auf unserer To Do Liste für den Rest des Tages steht eine Stadtbesichtigung und die Suche nach einem Internetcafe. Zu Fuß machen wir unsere Schritte in der ungewohnten Umgebung. Die Stadt ist infrastrukturell sehr gut ausgebaut. Entlang einer großen Straße vorbei an einem ausgebrannten Autofrack laufen wir zu einem beliebten Marktplatz – vollgestopft mit Flip Flops aus Fernost, Bonbon-Verkäufern und Straßenimbissen aller Art. Es riecht nach verbranntem Müll, Schokotoffee, Urin und einem Hauch von „4711-Kölnisch Wasser“. Schnell finden wir ein Internetcafe. Wir haben kaum Platz genommen als hinter uns ein Streit ausbricht, der in einer handfesten Schlägerei endet, während der Mann vor uns unbeirrt pornographisches Material konsumiert. Nach dieser Slapstickeinlage suchen wir unseren Weg durch das Dunkel der Gassen zurück zu unserem Zeltplatz, vorbei an Junkees, Prostituierten und Spätshops.

Der Morgen danach beginnt wie der Morgen davor. Heiß und staubig. Für zwei Uhr haben wir ein Date mit Ibrahim, der uns zu dem Projekt geleiten soll. Frei nach dem Motto „Die Europäer haben die Uhr und die Afrikaner die Zeit“ werden wir pünktlich um 15Uhr abgeholt.  Quer durch das Businessviertel mit seinen futuristischen Glasbauten, in denen sich das Ufer des Nils spiegelt, fahren wir 13km stadtauswärts. Langsam beginnen sich die Häuser und das Bild der Straße zu ändern. Die Hütten sind fest aber vornehmlich aus Lehm und erstrecken sich bis zum Horizont. Wir biegen in eine der Gassen ein.  Durch riesige Schlaglöcher, Müll und Wasserpfützen arbeiten wir uns auf einen großen Fußballplatz inmitten der Siedlung vor. Wir werden bereits von einer Gruppe Kinder, Monica und einem Mitarbeiter des Projekts erwartet. Wir packen unser Equipment aus und teilen Mannschaften ein. Aufgrund der Bodenbeschaffenheit und der Zahl von 23 Jungs entschließen wir uns direkt ein Großfeldspiel zu starten. Unser Team erhält Verstärkung aus Holland, was uns wirklich Kopfzerbrechen bereitet. Schnell finden wir uns mit dem Gedanken ab, das wir heute bestimmt schön spielen aber nicht gewinnen werden.

Wie erwartet kommen die Jungs auf ihrem Heimplatz besser zurecht als die Gastspieler aus Mitteleuropa. Trotz eines sicher verwandelten Elfmeters von Basti, trickreichen Finten von Chris und der soliden Abwehrarbeit von Vincent geht das Spiel 2:3 verloren. Leider entwickelte sich auch die Zeit nach dem Match anders als erwartet. Einigen Jugendlichen aus dem Slum war unser Kommen nicht verborgen geblieben. Der Gemütszustand dieser durchaus guten Fußballer schwankte zwischen verspielt übermütig und fordernd aggressiv. Verstärkt wurden diese Schwankungen von einem hohen Alkoholkonsum. Da die Stimmung nach dem Ende des Spiels zu kippen droht, bittet uns Monica den Platz schnellst möglich zu verlassen und auf die Projektbesichtigung zu verzichten. Wir folgen ihrem Rat und machen uns auf den Rückweg. Erleichtert und beeindruckt von dieser Szene fahren wir zurück zu unserem Campingplatz, um am nächsten Tag in Richtung Äthopien aufbrechen zu können.