Unser Team hat nach einigen Schwierigkeiten mit dem Computer den ersten langen Reisebericht online. Erfahrt, wem unser Hauptdarsteller nach Philipp Lahm so begegnet ist. Freut Euch auf Geschichten aus Saalburg, dem Balkan, der Türkei sowie aus Syrien und Jordanien. Lest über ungewöhnliche Schlafplätze, Verdauungsprobleme und erste fahrzeugtechnische Zwischenfälle….
Es ist dunkel geworden in Petra (Jordanien). Unser Auto steht gestuetzt auf einem zerbrochenen Sandstein in einer Garagenauffahrt. Die Hinterachse liegt schraeg auf dem staubigen Boden. Zu allem Ueberfluss haengt eine unserer Federn zwischen einem Strommast und der Seilwinde eines Defenders- bis zum zerbersten gespannt. Chris schaut skeptisch auf diese eigenwillige Konstruktion und entfernt sich mit schnellen Schritten vom Strommast und dem Auto, da der Haken der Seilwinde gerade unter lautem Getoese ueber eine Federwindung rutscht und weiße sternfoermige Funken schlaegt. So oder so aehnlich hatten wir es uns vorgestellt, sollte etwas mit unserem Joschi (Taufname unseres treuen Lastesels) passieren.
Passiert ist schon einiges, seit wir vor zwei Wochen im idyllischen Saalburg zu unserer “Goals for Africa” Tour aufgebrochen sind. Es ist der 7. Oktober 2010, die Wolken haengen grau und schwer am Himmel, fast so als koennte man sie mit blossen Haenden fassen. Die Tueren unseres Autos sind weit geoeffnet. Vor uns auf dem Boden liegt, auf einer sechs Meter grossen, halbkreisfoermigen Flaeche, unser Leben fuer die naechsten vier Monate. Fuenf dunkle und dick-bepackte Taschen, zwei hellblaue Plastikkisten voll mit Equipment, drei Benzinkanister und ein glatter, brauner Kunstlederfussball, auf dem mit schwarzem Edding die Unterschrift von Phillip Lahm prangt, kommen mit auf die Reise. Langsam beginnt die Wolkendecke aufzureissen und ein paar wenige Sonnenstrahlen finden den Weg zum Boden, waehrend wir unser Auto bepacken. Lange haben wir auf diesen Moment hingearbeitet, unterstuetzt von unseren Freunden und unseren Familien. Unsere Abschiedsstimmung weicht einer immer groesser werdenden Vorfreude auf das bevorstehende Abenteuer.
Nachdem all unsere Sachen im, am, auf und um das Auto verstaut sind, starten wir endlich die Maschine. Auch das Wetter scheint auf unserer Seite zu sein als wir die Autobahn 9 erreichen. Aus einem ozeanblauen und wolkenfreien Himmel strahlt uns die Sonne entgegen und wir hoffen, dass dies ein gutes Omen fuer unsere Reise ist.
Der erste Teil der Fahrt fuehrt uns durch Osteuropa, ueber den Balkan direkt in die Tuerkei. Wir machen ein paar kurze Zwischenstops in den Hauptstaedten der Laender, die am Rande unseres Weges liegen – Zagreb, Belgrad und Sofia. Waehrend dieser kurzen Aufenthalte drehen wir schon die ersten Videos mit unserem Ball. Dabei entpuppt sich unser rundlicher Begeleiter nicht nur als ein kleiner Filmstar, sondern auch als ein verlaesslicher Dolmetscher, Spielgefaehrte und Menschendfreund mit ausgepraegtem Sozialverhalten. Mit viel Einsatz, Spass und grosser Ausdauer drehen wir die ersten Takes. Es scheint so, als wuerden wir nicht nur uns sondern allen Beteiligten und Aussenstehenden ein Riesenerlebnis bereiten.
Nach drei Tagen Fahrt erreichen wir unser erstes grosses Etappenziel Konstantinopel – besser bekannt als Instanbul. Die einstige Hauptstadt des byzantinischen Kaiserreichs ist auch heute noch ein Schmelztiegel der Kulturen. Hier am Bosporus treffen nicht nur Orient und Okzident, sondern auch Christentum und Islam und vor allem Asien und Europa aufeinander. Mit fast 22Mio Einwohnern zaehlt sie dabei zu einer der groessten Metropolregionen der Welt. Diese Vielfalt an Menschen gepaart mit den verschiedensten historischen, kulturellen und politischen Einfluessen spiegelt sich im Stadtbild und in der weltoffenen und zuvorkommenden Mentalitaet der Menschen hier wider. Wir beschliessen etwas laenger hier zu verweilen, auch um noch ein paar wichtige Besorgungen fuer die weitere Reise zu machen. Vor der Hagia Sofia, dem wohl bekannstesten Wahrzeichen Istanbuls drehen wir unser zweites Video. Nach wenigen Minuten haben wir einen in schwarz und rot gekleideten Gebaeckverkaeufer gefunden, der sich mit Jonglieren und Werfen unseres Balls versucht.
Die Verstaendigung klappt trotz der Sprachbarriere reibungslos und es zeigt sich auch hier, mit welcher Freude und Begeisterung fremde Menschen unser Vorhaben unterstuetzen. Nachdem wir ihm Stefan helfenden Fusses zur Seite gestellt haben, bekommen wir einige sehr gute Szenen in den Kasten.
Ein eigenwilliger Geruch aus unterschiedlichen Gewuerzen, Seifen, Parfuemen und Wasserpfeifentabak liegt in der Luft, als wir unseren Weg durch den „Grossen Basar“ in Richtung Faehrhafen fortsetzen. Wir bekommen einen ersten Eindruck von dem, was uns in den Laendern des Nahen Ostens erwarten wird. Gerade die traditionellen Basare in den Souks (Altstaedten) haben sich in den letzten Jahren stark gewandelt. Beherbergten sie damals noch hunderte von Gewuerz-, Lebensmittel-, Stoff- oder Handwerkslaeden, dominieren heute quietschbunte, laute und blinkende Plastikartikel made in China das Gassenbild. Viele der Stoffe kommen aus Indien oder Pakistan und die Parfueme sind nicht selten von Kevin Glein oder Gutschi. Der Flair dieser Basare, sei es hier in Istanbul, Aleppo, Damaskus oder Kairo bleibt jedoch bestehen, da er nicht allein von den Waren, sondern vielmehr von der Architektur und der Geschichte dieser hunderte Jahre alten Orte lebt – gerade in Damaskus kann man dies noch wunderschoen nachempfinden.
Istanbul hat aber noch mehr zu bieten als eine beeindruckende Geschichte und eine nicht minder imposante Skyline.
Genauergesagt sind es zwei Dinge, die uns waehrend der naechsten Wochen begleiten. Da ist zum Einen das Essen. Viele werden jetzt sagen „Ah klar, Doener!“ aber das stimmt nicht ganz. Gegessen wird hier fast immer Duerruem – eine wrapaehnliche Teigrolle, die man auch aus Deutschland kennt. Gefuellt wird diese wahlweise mit „Chicken“, „Koefte“ (Rinder- bzw. Lammhack) oder Falaffell (gegrillte und panierte Kichererbsenpaste). Garniert wird die armdicke Rolle mit Salat, Chillis und Pommes. Was sich nach Abwechslungsreichtum anhoert, entpuppt sich nach ein paar Tagen des Dauerverzehrs als eintoenige Kantinenmahlzeit. Die Sehnsucht nach Kloessen mit Sauerbraten oder einer „Currywurst mit Pommes“ bei Konopkes in Berlin Prenzelberg wird zunehmend groesser. Kleiner wird hingegen der Mageninhalt aller Tourteilnehmer, da sich schon nach kurzer Zeit Unstimmigkeiten zwischen uns und unseren Verdauungstrakt einstellen. Hauptstreitpunkt ist dabei die Abgabegeschwindigkeit der aufgenommenen Nahrung. Auch eine Verdauungssteuer in Hoehe von sechs „Immodiumakut“ am Tag kann die Gemueter nicht beruhigen.
Der andere weitaus erfreulichere Punkt, den wir seit Instanbul kennengelernt haben, ist die unglaubliche Herzlichkeit, Hilfsbereitschaft und Gastfreundschaft, die die Menschen uns gegenueber an den Tag legen. Begonnen hat dies bereits an den Grenzen von Serbien, der Tuerkei und hat sich ueber Syrien und Jordanien gezogen. Gefolgt von den Kindern auf unseren Videos und den Ballfotos, den Hostel- und Shopbesitzern, bis hin zu wildfremden Menschen, die an einer Mautstelle nach der Bosporusbruecke auf einer dreispuriegen Autobahn zurueckrennen, um uns aus der Patsche zu helfen. Nach zwei Naechten in dieser wundervollen Metropole zwischen Mittelmeer und Schwarzem Meer fahren wir weiter in Richtung Syrien. Unser Weg fuehrt uns durch die Gebirge Anatoliens hin zu den Kuesten Kurdistans.
Mit jedem Kilometer, den wir weiter nach Sueden fahren, aendert sich nicht nur die Landschaft sondern auch Stueck fuer Stueck die Hautfarbe der Menschen. In Yumurtalik, einem kleinen Kuestenort in der Suedtuerkei, wollen wir unser Nachtlager aufschlagen, da auf unserer Karte ein Zeltplatz eingezeichnet ist. Unser Blindflug endet im Kontrollraum einer alten Fabrik, wo uns ein hilfsbereiter Tuerke ein Nachtquartier incl. Internet anbietet. Mit tiefer Trauer und Bestuerztheit registriert er unsere Bitte nach einem geeigneten Zeltplatz am Meer. Sicher ob es nur deshalb ist, sind wir uns nicht, da unsere einzige Verstaendigungsmoeglichkeit „google translate“ ist. Ohne zu zoegern springt der Mann auf den Beifahrersitz unseres Autos und weisst uns den Weg zu einer alten Burgruine direkt am Meer. Bei Windstaerke 8 bauen wir im Licht unserer Scheinwerfer das erste Mal unser neues Zelt auf. Beobachtet werden wir dabei von einer glockenbehangenen, laermenden Ziegenherde, die den Eingang des Burgfrieds zu ihrer Gruppenlatrine umfunktioniert zu haben scheint. Nach einer unruhigen und stuermigen Nacht, bei der die Hauptmahlzeit der Ziegen die Sicherungsschnuere unseres Zeltes waren, nehmen wir ein erstes Bad im Mittelmeer, bevor wir unser Auto wieder startklar machen.
Wiedereinmal fahren wir durch karge und zerklueftete Berglandschaften mit endlosen Anstiegen und steilen Abfahrten als wir unsere erste Ueberraschung erleben. Unter unserem Drehzahlmesser leuchtet eine kleine, rote Lampe, in deren Mitte ein Ausrufezeichen zu erkennen ist. Hektisch und mit kleinen Schweissperlen auf der Stirn blaettert Stephan im Serviceheft unseres Nissans und es bestaetigt sich – WIR SINKEN! Besser gesagt unsere Bremsfluessigkeit. Bis Aleppo sind es noch 150km und davon erwarten uns 30km Abfahrt mit 1200m Hoehenunterschied. Zu allem Uerbfluss gestaltet sich der Grenzuerbtritt nach Syrien als ein Buerokratiemarathon aller erster Guete. Am Ende dieser Schnipseljagd stehen vier voellig entnervte und zynisch lachende Mitteleuropaer. Nur einer scheint den Mut nicht zu verlieren, obwohl er im Moment die meisten Verluste zu verkraften hat – unser Auto. In Aleppo finden wir das Leck im Bremssystem und einen Mechaniker, der es uns in zwei Stunden repariert. Zwei Stunden deshalb, weil er nur solange arbeitet, solange wir vor Ort sind, um dann das daumennagel grosse Ersatzstueck stolz vor unseren Augen einzubauen.
In der zweitgroessten Stadt Syriens verbringen wir zwei Naechte. Vor der weltbekannten Zitadelle drehen wir ein Video mit einer Horde fussball-verrueckter Jungs, die wie in einem Comic von rechts nach links durch das Bild rasen und eine grau-gelbe Staubwolke hinter sich her ziehen. Waehrend dieses kleinen und sehr erheiternden Schauspiels fragt uns eine syrische Familie, ob sie Bilder von uns und mit uns machen duerfen, was uns sehr freut. Besonders Lisa hat es den Einheimischen mit ihren goldblonden Haaren besonders angetan. Unser Ball ist auch hier ein treuer Helfer zur Ueberwindung der sprachlichen und kulturellen Barrieren.
Von Aleppo geht es fuer uns weiter in die wohl bekannteste Stadt des alten Orient – Damaskus. Das historische Flair wird nur noch von wenigen Staedten dieser Welt erreicht. Gerade der Souk mit seinem traditionellen Basar hat eine magische Anziehungskraft auf uns. Die Hektik in den engen Gassen, die verstopft sind mit Menschen und Waren, der Laerm der hupenden Autos, der Geruch von Essen, Gewuerzen und Muell lassen sich mit Nichts in Europa vergleichen.
Speziell der Strassenverkehr folgt hier anderen Gesetzen als den uns vertrauten. In jeder Situation gilt das Recht des Staerkeren und Clevereren. Das in Deutschland wenig beliebte und kaum praktizierte Reissverschlussverfahren ist hier ueberlebenswichtig. Entscheidend fuer den eigenen Fahrerfolg ist das voellige Ignorieren der Spiegel sowie ein Gottvertrauen auf die Reaktionsgeschwindigkeit des Hintermannes, bei gleichzeitiger Beobachtung des Fussgaengerverhaltens. Letztere haben die Angewohnheit ohne Vorwarnung vollbefahrene dreispurige Autobahnen und Verkehrsstrassen im Schritttempo zu kreuzen. Mit etwas weniger Glueck und Reaktionsvermoegen wuerde unsere Abschussliste im Moment:
1 tuerkischen Hund
1 syrischen Polizisten
3 arabische Passanten
2 jordanische Kamele
und
3541 Insekten verschiedenster Nationalitaeten umfassen. Zum Glueck muessen wir nur die fliegenden Vielfuessler in unsere Gebete einschliessen, da diese schlicht zu klein waren, um ihnen ausweichen zu koennen.
Damaskus verlassen wir in den fruehen Morgenstunden um Jordanien und das Tote Meer als naechstes Etappenziel ins Auge zu fassen. Um 19.00Uhr ist der absolute Nullpunkt unserer Reise erreicht. 412m unter N.N. zeigt unser GPS-Geraet an als wir unser Zelt fuer die Nacht aufschlagen.
Trotz des salzigen Wassers ist die Stimmung in der Gruppe ausgezeichnet. Getruebt wird sie nur von einem Problem mit der Federung unseres Autos, die bei jeder Bodenwelle an den Begrenzer schlaegt. Mit fuenf Personen und weiteren 120kg Gepaeck beladen, kommt unser treues Gefaehrt an seine Grenzen. Auch eine eilig einberufene Telefonkonferenz mit unserem Premiummechaniker Tino bringt keine verwertbaren Ergebnisse. Etwas skeptisch aber hoffnungsvoll machen wir uns auf den Weg in Richtung Petra – einem der neuen Weltwunder, das vielen aus Indiana Jones III bekannt sein wird.
Es ist Nacht geworden, als wir Petra erreichen. Schnell finden wir ein Hostel und Menschen, die uns mit unserem Problem helfen wollen. Es ist 21.30Uhr als ein Mechaniker eintrifft. Mittlerweile hat sich eine Menschentraube aus 10 Leuten gebildet, die alle hektisch telefonierend uns helfen wollen. Was war geschehen? Hilfesuchend haben wir uns an Ahmet gewendet, der gegenueber unserem Hostel ein Firma fuer Jeeptouren betreibt. Ohne dass uns bewusst war, welche Kettenreaktion diese Frage ausloesen wuerde, hatten wir unser Problem geschildert. Binnen Minuten waren vier Onkels und drei Freunde von Ahmet vor Ort, die unser Auto inspizierten und nebenbei hofften, uns etwas Nuetzliches abkaufen zu koennen. Als letztes betritt Ibrahim, ein unscheinbarer aber kraeftig gebauter Jordanier, die Showbuehne vor unserem Auto. Wie wir erfahren, ist er der Chefmechaniker der Familie. Sein Blick laesst keine Zweifel an seiner Entschlossenheit, unser Problem zu loesen, aufkommen. Binnen weniger Minuten ist eine der hinteren Federn ausgebaut und unser Auto auf wackligem Grund fixiert. Einen Meter ueber dem Boden und auf doppelte Laenge gespannt, haengt sie nun da und keiner von uns weiss, ob wir die Reise nach Afrika wuerden fortsetzen koennen.