„Der Weg in die Krise!“ – Tourblog #7

  • Beitrags-Autor:

Erfahrt in diesem Tourblog mehr über die Reise durch Äthiopien, das Treffen mit einem Weltrekordler und ob man mit Dosen wirklich Autoreifen flicken kann…

„With this purple car, without any visa and on that way??? Muahahahhaha!!!

Dieser Satz an jenem Abend vor unserem Ritt durch das Omovalley klingelt noch immer wie eine riesige Kirchenglocke in unseren Ohren. Gesprochen wurden diese Worte von einem Engländer, den wir auf der Sudanfähre kennengelernt  und hier in Abarminch (Äthopien)  wiedergetroffen haben. Dieser untersetzte, grauhaarige, äußerst unsympathische und sturzbetrunkene Inselbewohner hatte sich gerade über unseren Plan informiert und mit eben jenem Satz quittiert. Er wusste nicht, dass diese Worte den Ausschlag gegeben haben diesen Weg zu gehen. Niemand von uns wusste, was in den nächsten Tagen passieren würde und keiner von uns hätte annähernd erwartet, dass es so kommen würde als wir Addis Abeba verlassen haben.

Zusammen mit Mafi, einem Freund von Lisa, fahren wir in Richtung Südwesten. Unser Ziel ist Jinka, in dessen Nähe der Stamm der Mursi lebt. Bekannt sind die Mursi vorallem durch ihre riesigen, schwarzen Tellerscheiben in den Unterlippen der Frauen.

Die Straßenverhältnisse verschlechtern sich 200km nach Addis Abeba merklich. Bevor wir unser Tagesziel Awassa erreichen, machen wir eine kurze Rast in Shashamene. Diese Kleinstadt im Süden Äthopiens birgt eine Besonderheit, die weltweit seines Gleichen sucht. Kaum jemandem aus Deutschland ist bekannt, dass diese Stadt eine Pilgerstätte für Jamaikaner und global vernetzte Rastafaries ist. Die Stadt und das umliegende Land waren ein Geschenk des ehemaligen Staatspräsidenten Haile Selassie an die jamaikanischen Rastafaries. Diese Gruppe, die bekannt ist für ihre Dreadlocks, Reggae und große, interessant riechende Zigaretten, verstehen sich als eine christliche Urgemeinde, die ihren Ursprung in Äthopien hat. Inmitten der Wiege des Christentums wollte Selassie den Rastas die Möglichkeit geben, zu ihren Wurzeln zurückzukehren. Wir sind beeindruckt von diesen älteren aber weise wirkenden Männern, mit ihren überdimensionalen grünen, roten und gelben Mützen. Wir bekommen im Dunst der ebenso großen Klimmstengel einen Einblick in die christlichen Werte und die Geschichte des Christentums.  Da uns die Zeit drängt, setzen wir unseren Weg fort. Einem kleinen Jungen mit zerfetzten Sachen schenken wir eine kurze Hose, die auch in den nächsten zehn Jahren noch passen wird. Wie in weiten Teilen Äthiopiens, ist das Betteln bei den Kindern fast schon konditioniert und die übliche Begrüßung für uns lautet: „Money! Money! Money!“ – das Alter spielt dabei keine Rolle, von 2 bis 20Jahren ist alles dabei. Auch wenn‘s uns nicht leicht fällt, versuchen wir diesen Aspekt zu ignorieren.

Unsere Nacht in Awassa verbringen wir bei Abel einem Freund von Mafi. Eingeklemmt in einem kleinen Zimmer, umgeben von 20 Mosquitos verbringen wir die Nacht. Abel, der den Abend noch in einer Bar verlängert, füllt das so schon enge Platzangebot mit einer Bekanntschaft auf, wie wir am Morgen amüsiert feststellen.

Nach dem Frühstück besuchen wir Abel in seinem Büro, das direkt im Haile Gebre Selassie Ressort beheimatet ist. Der eckige, lachsfarbene Komplex am Ufer des Lake Awassa gehört dem gleichnamigen und weltweit bekanntesten Marathonläufer.  Durch ein Schrankentor, vorbei an zwei schwerbewaffneten Sicherheitsleuten, fahren wir auf einen weitläufigen Parkplatz. Wir hoffen Haile persönlich treffen zu können, da Abel uns den Tipp gegeben hat, dass er eventuell da sein könnte. Die weitläufige Fensterfront der Lobby eröffnet uns einen fantastischen Blick über den See. Als wir an die Scheibe herantreten, können wir unseren Augen kaum trauen. Unter uns steht eine Gruppe von gut gekleideten Menschen, die einen kleinen, unauffällig wirkenden Mann umringen, den wir eindeutig als Weltrekordhalter identifizieren.

Chris sprintet mit dem Autoschlüssel in der Hand und seinen treuen Badelatschen am Fuß zurück zum Auto, um unseren Ball für ein Autogramm zu holen. Zu unserem Pech ist Haile in den Katakomben des Hotels verschwunden als Chris seinen Sprinttest beendet hat. Wir geben nicht auf und finden unser Ziel im Restaurant seines Hotels wieder. Mit einem Edding bewaffnet und unseren Ball im Anschlag, startet Lisa einen mutigen Frontalangriff. Wie erwartet, zeigt die weibliche Charmeoffensive ihre erhoffte Wirkung. Freundlich lächelnd fügt sich Haile in sein Schicksal und steht für ein Autogramm und ein Foto Gewehr bei Fuß! Freudestrahlend und glücklich machen wir uns auf den Weg nach Abarminch.

Die Freude weilt nur kurz, denn schnell werden wir in die harte Realität der hiesigen Straßenverhältnisse zurückkatapultiert. Unsere Fahrt ist längst zu einem Offroadtrip geworden, auch wenn unsere Karte etwas anderes sagt. Wir sind uns sicher, dass es schlimmer nicht kommen kann, doch wir sollten uns irren.

Am späten Abend erreichen wir die Paradise Lodge, ein wunderschönes Ressort am Rande einer Bergklippe, die Mafis Onkel gehört und in der wir kostenlos übernachten können.

Drei Nächte verweilen wir hier und verbringen die Zeit mit Wanderungen und einem Bootstrip.

An unserem letzten Abend treffen wir, neben einer deutschen Reisegruppe, die auf Rundfahrt durch Äthopien ist, auch auf das besagte englische Pärchen von der Sudanfähre. Der Mann ist bereits stark angetrunken als er sich nicht nur über Mafi, sondern auch unser Vorhaben lautstark amüsiert – begleitet von den beschähmten Blicken seiner Frau, die versucht ihrem Mann das letzte Glas Wein auszureden – ohne Erfolg. Leicht verärgert, aber hochmotiviert gehen wir schlafen.

Am Morgen verlassen wir die Lodge und setzen unseren ungewollten Offroadtrip fort. Neben den üblichen Problemen mit den Stoßdämpfern beschließt auch unser Auspuff eine Oktave tiefer zu singen, was unsere Freude über die badewannengroßen Schlaglöcher auf der Strecke merklich trübt.

In Jinka, einem verträumten kleinen Städtchen am Ende vom Nirgendwo, schlagen wir unser Zelt in einem Hotelvorgarten auf. Hier treffen wir auch wieder auf die deutsche Reisegruppe. In geselliger und bierseeliger Runde werden wir und unsere Tour auf Herz und Nieren geprüft. Wir freuen uns über das rege und angenehme Gespräch über GoalsConnect, Leipzig und unser einig Vaterland.

Für den nächsten Morgen haben wir einen Besuch bei den Mursi und ihrem ungewöhnlichen Lippenschmuck geplant. Zu unserer Überraschung hat einer unserer Reifen ohne uns Party gefeiert und  ist nun platt. Da wir uns so etwas schon dachten, haben wir ein kleines Konterbier in Form eines Silikon-Gasgemisch vorbereitet, das wir nun erstmalig zum Einsatz bringen müssen. Skeptisch brüten wir über der Anleitung, bevor wir unserem Reifen die Medizin verabreichen.

Noch etwas ausgepowert und blass um die Felge beginnt sich unser Patient merklich zu erholen. Eine Testfahrt mit neuem Fahrer und eine Drucküberprüfung später sitzen wir zu dritt in unserem Yoshi und machen uns auf den 80km langen Weg zu einem Hochplateau, auf dem die Mursi leben. Die Piste ist schlecht, aber der Reifen hält, sehr zu unserer Verwunderung.

Mit Hilfe eines Guides – unserem nun vierten Passagier – fahren wir zu einem der Mursidörfer. Nach ein paar Minuten können wir vor uns ein kleines, vier Hütten großes Dorf erblicken. Die Unterkünfte bestehen aus einer Mischung aus Bast, Stroh und Lehm. In der Mitte der kleinen Siedlung sind Frauen damit beschäftigt Teig zu kneten und Getreide zu mahlen.

Wir parken unser Auto unter einem großen, schattigen Baum. Von rechts nähert sich ein zwei Meter großer, spärlich bekleideter Mursikrieger, kaum dass wir den Motor gestoppt haben. Über seiner Schulter hängt eine abgewetzte AK 47 Kalaschnikow, während er uns mit einem grimmigen und bisweilen abfälligen Blick mustert. Uns wird schnell bewusst, dass wir hier nicht willkommen sind. Nachdem wir einen stattlichen Eintritt entrichtet haben, werden wir wie Besucher in einem Zoo in dem Dorf herumgeführt. Die Hoffnung auf einen interessanten und lehrreichen Besuch sind damit früh zerstört und langsam beschleicht uns das Gefühl deplaziert zu sein. Unser Guide erklärt uns, dass wir für jedes Foto einen kleinen Centbetrag bezahlen müssen.

Auch wenn die großen, schwarzen und musterverzierten Teller und ihre Träger sehr interessant erscheinen, vergeht uns schnell die Lust an dieser „völkerschauähnlichen Veranstaltung“. Bereits nach 15 Minuten machen wir uns wieder auf den Rückweg nach Jinka, nichtsahnend, dass die nächsten Tage das größte Abenteuer unserer bisherigen Reise werden sollten.